seilbahn.net | Themenbereiche | Tourismus/Gastro | 2019-06-27

Von Moskau nach Mieming: 1. Russlandgipfel versammelte hochkarätige Expertenrunde in Tirol

Über 70 Teilnehmer aus der Tourismus- und Freizeitwirtschaft Tirols und Russlands waren der Einladung der Tirol Werbung für die erste Auflage des Russlandgipfels im Alpenresort Schwarz am Mieminger Plateau gefolgt. Expertenvorträge standen ebenso auf dem Programm wie eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Zukunft des russischen Gastes in Tirol – zwischen Wirtschaftssanktionen und alpiner Urlaubssehnsucht“. 

Im Tourismusjahr 2017/2018 besuchten 74.350 russische Gäste Tirol und generierten dadurch rund 411.400 Nächtigungen, 86% davon im Winter. Der Herkunftsmarkt Russland reiht sich damit auf Platz 10 der wichtigsten Quellmärkte Tirols ein. Bis 2013/2014 rangierten russische Gäste mit über 110.000 Ankünften noch auf dem 8. Platz. Die politische Krise und der Verfall des Rubels sorgten bis zum Tourismusjahr 2016/2017 jedoch für rückläufige Buchungen. Erst seit kurzem zeichnet sich eine Erholung des schwer gebeutelten, für Tirol aber äußerst wichtigen Quellmarkts ab. Im Winter 2018/2019 mussten dann erneut leichte Rückgänge bei russischen Gästen verzeichnet werden. Das übergeordnete Ziel des von der Tirol Werbung initiierten 1. Russlandsgipfels war daher klar: aus der bewegten Vergangenheit Russlands lernen, das touristische Netzwerk weiter stärken und gemeinsam einen Grundstein legen, um für den neuerlichen Aufschwung russischer Gäste in Tirol zu sorgen. 

Über den Dialog das Geschäft ankurbeln

Florian Phleps (Geschäftsführer der Tirol Werbung) betonte im Rahmen seiner Begrüßungsworte die Bedeutung des freundschaftlichen Austauschs zwischen den Ländern: „Es war uns ein großes Anliegen auch russischen Partnern und Anbietern hier in Tirol eine Bühne zu geben und den Austausch so auch zu intensivieren. So sehen wir russische Skigebiete nicht als Konkurrenz, sondern als wichtige Weggefährten für einen wertschöpfungsorientierten Tourismus in Russland und in Österreich.“ Auch Sergey Mikhaylovich Maguta, (Generalkonsul Russlands in Salzburg) fand lobende Worte für Tirols Vorreiterrolle in der internationalen Zusammenarbeit: „Österreich und Tirol sind sehr beliebte Reisziele der russischen Bevölkerung – diese Zusammenarbeit zwischen guten Partnern weiter zu stärken ist sehr lohnend.“

Moderiert wurde der Expertengipfel von André Balin (Korrespondent von DerStandard und Handelsblatt in Moskau) – er versammelte am Podium u.a. Gerald Böhm (Markt Manager Russische Föderation der Österreich Werbung), Karin Seiler-Lall (GF Innsbruck Tourismus), Andreas Kröll (GF Christophorus Reisen und Obmann-Stv. Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Tirol) sowie Khasan Timizhev (Geschäftsführer Northern Caucasus Resorts) und Maxim Pristavko (Geschäftsführer Jet Travel).

Große Potentiale für einen sich stark verändernden Markt

Böhm wagte einen Blick von der Vergangenheit in die Zukunft und umriss in seinem Vortrag gesellschaftliche Veränderungen in Russland zwischen 2010 und 2030. Der russische Gast wird umwelt- und gesundheitsbewusster, zeigt sich der ÖW-Manager überzeugt. Auch das Buchungs- und Kommunikationsverhalten wird analog zum Westen digitaler, Social-Media-Kanäle gewinnen massiv an Bedeutung. 
Grundsätzlich sehen die Experten ein großes Potential für mehr russische Gäste in Österreich. Zwei Drittel der russischen Urlaubsreisen finden im Sommer statt, in Österreich dominiere aktuell noch der Wintergast mit 67% aller Nächtigungen. Als Winterdestination habe Österreich und Tirol einen hohen Imagefaktor. Timizhev erinnerte in diesem Kontext daran, dass bisher nur 3 % der Russen auf Skiern oder Snowboard stehen: „Das zeigt, dass das Potential des russischen Marktes auch im Winter noch groß ist.“ Der russische Reiseexperte regte daher Zusammenarbeitsmodelle und Patenschaften zwischen russischen Skigebieten und alpinen Topdestinationen an. „Je mehr Skipisten und Skitourismus, umso mehr Russen werden vom Wintersport begeistert sein und in die Alpen kommen!“

Sinkende Kaufkraft, Restriktionen bei Visum

In der sinkenden Kaufkraft sieht Pristavko den Hauptfaktor für die Rückgänge von russischen Gästen in Österreich seit dem Jahr 2014. Seither würden sich Russen verstärkt im eigenen Land etwa für den Wintersport begeistern, der Inlandstourismus habe sich stark entwickelt. Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch die restriktive Vergabe von Visa. „Diese Thematik ist sehr entscheidend für die Reiseentscheidung“, betonte Pristavko. Da Österreich hier sehr restriktiv sei, würde das Land auch bei den Urlaubsentscheidungen in die hinteren Ränge abrutschen. Die Wahrscheinlichkeit für langfristige Schengen-Visa sei in anderen Ländern deutlich positiver – diese liege für Italien bei 98%, Andorra/Spanien bei 92% und für Frankreich bei 52%. Daher würden etwa russische Reiseveranstalter und Reisebüros auch verstärkt Italien oder Andorra anbieten. Seit 2014 sei das Realeinkommen in Russland um 12% gesunken, der Wechselkurs und die Visa-Politik habe Österreich unattraktiver werden lassen. „Dieses Thema werden wir in einer Arbeitsgruppe innerhalb der Wirtschaftskammer wieder stark forcieren, um hier ein Umdenken zu erwirken“, versprach Kröll. 

Österreich bleibt das Lieblingsland für Winterurlaub

Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation Russlands angesichts der Verlängerung der EU-Sanktionen und des sich abzeichnenden minimalen Wirtschaftswachstums von unter 1% kurzfristig nicht deutlich verbessere, zeigten sich die Tourismusexperten beim 1. Russlandgipfel in Tirol optimistisch: „Österreich ist nach wie vor das Lieblings-Winterurlaubsziel der russischen Reisenden – zudem zeichnet sich auch bei russischen Urlaubsbedürfnissen ein Wertewandel ab“, betonte Böhm. Vor 20 Jahren wollten viele Russen nur Skiurlaub. Jetzt gäbe es viele Anfänger, die gar nicht so viel fahren können. Gutes Essen, Wein, SPA-Zentren, Gesundheit und genussorientierte alternative Aktivitäten prägten nun vielfach die russischen Urlaubssehnsüchte Sommer wie Winter. Böhm: „Ich bin überzeugt, dass Österreich und Tirol hier künftig noch ein sehr großes Potential entfalten können!“

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