seilbahn.net | Themenbereiche | Seilbahnen | 2019-08-28

Schilder für Seilbahnen

(und bestimmte Natursportarten)

Dipl.-Ing. Alfred Wöß
Bundesministerium für Verkehr, Innovation
und Technologie
Sektion IV - Verkehr
Abteilung E6 – Oberste Seilbahnbehörde,
Stellvertreter der Vorsitzenden des
ASI-Komitees 178

Wozu Schilder?

Manche echauffi eren sich über den (vermeintlich nutzlosen) Schilderwald, der dort und da auftritt. Oder fragen sich, wozu eigentlich Schilder? Nun, für die bei Seilbahnen wichtigen Schilder kann dies wie folgt begründet werden. Bereits in der für Seilbahnen geltenden Richtlinie 2000/9/EG und auch in der nunmehr geltenden Verordnung (EU) 2016/424 wird in den darin enthaltenen wesentlichen Anforderungen gefordert:

2.2 Sicherheitsgrundsätze

Im Hinblick auf Entwurf, Betrieb und Wartung müssen bei allen Seilbahnen die folgenden Grundsätze in der angegebenen Reihenfolge beachtet werden:
  • Durch geeignete Vorkehrungen für den Entwurf und den Bau müssen Gefahren vermieden oder zumindest begrenzt werden;
  • um Gefahren vorzubeugen, die sich durch Entwurfs- und Bauvorkehrungen nicht vermeiden lassen, müssen die notwendigen Schutzmaßnahmen festgelegt und getroffen werden;
  • zur Vermeidung von Gefahren, die sich durch Vorkehrungen und Maßnahmen nach dem ersten und zweiten Gedankenstrich nicht vollständig vermeiden lassen, müssen Vorsichtsmaßnahmen festgelegt und bekanntgemacht werden.
Diese – und auch die sonstigen – wesentlichen Anforderungen sind allgemein formuliert. Um den damit befassten Personen Unterstützung und (Rechts-)Sicherheit bei einer einheitlichen Umsetzung der wesentlichen Anforderungen zu liefern, wurden die europäischen Seilbahnnormen erstellt und darin die wesentlichen Anforderungen detailliert und konkretisiert.
Diese Seilbahnnormen sind überwiegend mit der Richtlinie 2000/9/EG bzw. nunmehr der Verordnung (EU) 2016/424 harmonisiert. Dies bedeutet, dass man bei Anwendung von bestimmten Abschnitten in einer Norm davon ausgehen kann, dass damit die Konformität mit der jeweiligen wesentlichen Anforderung erfüllt wird; die Zusammenhänge zwischen den Abschnitten einer Norm und den jeweiligen wesentlichen Anforderungen sind im Anhang ZA der Norm aufgelistet.
Zur Konkretisierung der oben angeführten Sicherheitsgrundsätze – und zwar insbesondere des letzten Gedankenstriches (Festlegen und Bekanntmachen von Vorsichtsmaßnahmen) – wurde daher in der ÖNORM EN 12397 (Sicherheitsanforderungen an Seilbahnen für den Personenverkehr – Betrieb) ein Abschnitt über das Verhalten der Fahrgäste aufgenommen. Dieser Abschnitt beginnt wie folgt:

6.3 Verhalten der Fahrgäste

6.3.1 Allgemeines
Der Betreiber muss dafür sorgen, dass sich die Fahrgäste so verhalten, dass weder ihre Sicherheit, noch die Sicherheit der anderen Fahrgäste und der Anlage, noch die Umwelt gefährdet sind. Er muss ebenfalls sicherstellen, dass die Fahrgäste den Betriebsablauf keinesfalls stören und ihr Verhalten der Art der Anlage angepasst ist.
Zu diesem Zweck muss der Betreiber die Fahrgäste auffordern, insbesondere die in 6.3.2 und 6.3.3 festgelegten Regeln einzuhalten.

Der Unterabschnitt 6.3.2 beginnt mit folgender Anforderung:
  • (Die Fahrgäste müssen) die für sie bestimmten Bestimmungen und Anweisungen strikt befolgen; diese werden ihnen im Allgemeinen durch Symboltafeln (Piktogramme) zur Kenntnis gebracht; ...
Anschließend folgen jene grundsätzlichen und bahnsystemspezifi schen Anforderungen an das Verhalten der Fahrgäste, für deren symbolische Darstellung es in der Regel auch (schon seit längerem) Schilder gibt.
Auch die ÖNORM EN 12929-1 (Sicherheitsanforderungen an Seilbahnen für den Personenverkehr – Allgemeine Bestimmungen – Teil 1: Anforderungen an alle Anlagen) enthält einige Bestimmungen darüber, an welchen Stellen welche Hinweise für Fahrgäste anzubringen sind.
Aus den angeführten Forderungen ist ersichtlich, dass zur Einhaltung der wesentlichen Anforderungen das Anbringen (und Instandhalten) von bestimmten Schildern eine unumgängliche Maßnahme ist, wenn sich Gefahren durch Konstruktion und Schutzeinrichtungen nicht ausreichend vermeiden lassen.
Oder anders formuliert: Zur Vermeidung von manchen Gefahren darf der Betreiber auf das richtige Verhalten der Fahrgäste vertrauen – er muss sie aber dazu auf ihr richtiges Verhalten durch Schilder hinweisen. Welche Schilder angebracht sind, wird übrigens auch häufi g im Rahmen der Erhebungen der Polizei nach Unfällen dokumentiert.
Die ÖNORM EN 15700 (Sicherheit von Bandförderern für Wintersport- oder Freizeitaktivitäten) verlangt übrigens ebenfalls die Anbringung von bestimmten Schildern.
Die für Seilbahnen und Bandförderer wichtigen Schilder sind in Österreich in der ÖNORM S 4610 (Schilder für Seilbahnen für den Personenverkehr und Bandförderer für Wintersport- oder Freizeitaktivitäten – Anforderungen und Ausführung) zusammengefasst.

Zuständigkeiten

Für die Normierung der Schilder für Seilbahnen ist bei der österreichischen Normungsorganisation Austrian Standards International (ASI) das Komitee 178 (Schilder für Seilbahnen für den Personenverkehr und Leitsysteme für den Natursport) zuständig.
Nachdem das Erfordernis für Schilder natürlich auch schon vor der Einführung von europäischen Regelungen für Seilbahnen erkannt worden war, wurde bereits im Jahre 1978 dieses Komitee gegründet und hat dann im Dezember 1980 die erste Fassung der ÖNORM S 4610 veröffentlicht. Seit Anfang ständig mitarbeitende Organisationen sind die Seilbahnabteilung des BMVIT, der Fachverband der Seilbahnen, die Fa. Sitour und die Fa. Doppelmayr.
Die ÖNORM S 4610 wurde seit 1980 mehrmals aktualisiert. Dabei haben lange Zeit auch Kollegen aus Italien (Südtirol) und Deutschland (Bayern) sowie zeitweise auch solche aus der Schweiz und Frankreich mitgearbeitet und dafür gesorgt, dass die Inhalte der ÖNORM S 4610 teilweise auch in das jeweilige nationale Normenwerk übernommen worden sind. Somit sind die in der ÖNORM S 4610 normierten Schilder zumindest im deutschsprachigen Alpenraum weit verbreitet und über den Lieferumfang der Seilbahnhersteller sogar weltweit im Einsatz.
Auf die Anwendung der ÖNORM S 4610 wird seit langem auch in den Aufl agen der Seilbahnaufsichtsbehörden hingewiesen. Welche Schilder anzubringen sind sowie deren Anbringungsorte werden seit Jahrzehnten in den Bauentwürfen für Seilbahnen festgehalten.
Seit einigen Jahren wird das Komitee 178 von einem tatkräftigen Damen-Duo sehr effektiv geführt; Franziska Thurner als Vorsitzende nutzt ihre langjährigen fachlichen und personellen Branchenkenntnisse bestens für die Arbeit des Komitees und Dr. Annette Altenpohl-Steurer als Komitee-Managerin bereitet Sitzungen äußerst umsichtig vor und hat die Protokolle dazu oft schon fertiggestellt, bevor sich die Sitzungsteilnehmer von ihren Plätzen erhoben haben.

Das Komitee 178 ist übrigens auch für andere Normen zuständig, die sich mit der Beschilderung für Natursportarten beschäftigen, z. B.:
  • ÖNORM S 4615 – Schilder für Loipen und Langlaufrouten –Anforderungen, Ausführung und Klassifi zierung;
  • ÖNORM S 4611 – Schilder für den organisierten Skiraum – Anforderungen, Ausführung und Klassifi zierung;
  • ÖNORM S 4612 – Naturrodelbahnen – Klassifi zierung und Anforderungen an die Sicherheitstechnik.
Ähnlich wie bei Seilbahnen kann die Anbringung der in diesen Normen festgelegten Schilder die Rechtssicherheit für die Betreiber der jeweiligen Anlagen wesentlich verbessern.
Um die Betreiber von solchen Anlagen, also z. B. den Seilbahnunternehmen, in ihren Pfl ichten durch leichtere Verfügbarkeit der Inhalte der jeweiligen Normen zu unterstützen, wäre das ASI bereit, die ÖNORM S 4610 und die genannten drei Normen im Paket wesentlich vergünstigt anzubieten (–30 % bei Abnahme von 50 Paketen bzw. –40 % bei Abnahme von 100 Paketen); leider hatte sich aber bis Redaktionsschluss dieses Artikels noch kein Partner gefunden, der den Vertrieb an die einzelnen Seilbahnunternehmen abwickeln würde.

Mängel bei der Anwendung, insbesondere auf Portalen oder Ähnlichem

Folgende Mängel sind häufi g anzutreffen:
  • Nichtbeachtung von Farb- und Formgebung: Die bei der ÖNORM S 4610 angewandten Gestaltungsgrundlagen für Sicherheitszeichen stimmen mit der ISO 3864-1 (Graphische Symbole – Sicherheitsfarben und Sicherheitszeichen
    • Teil 1: Gestaltungsgrundlagen für Sicherheitszeichen und Sicherheitsmarkierungen) überein. Diese verlangt die Anwendung von bestimmten Farben und Formen für die jeweilige Art des Sicherheitshinweises wie Verbot, Gebot, Warnung und Rettung. So sind z. B. bei Verboten die Symbole in Schwarz auf weißem Untergrund auszuführen und mit einem roten runden Kreis mit diagonalem Strich zu umgeben (z. B. Abb. 1, Schaukeln im Sessel verboten ÖNORM S 4610
    • V02), bei Geboten sind die Symbole in Weiß auf einem blauen runden Hintergrund anzuordnen (z. B. Abb. 2, Schließbügel des Sessels schließen ÖNORM S 4610 – G01) und bei Warnungen sind die Symbole auf gelben dreieckigem Hintergrund mit schwarzem Rand anzuordnen (z. B. Abb. 3, Steile Schleppspur ÖNORM S 4610 – W01). Daher ist die Tendenz, dass diese Farb- und Formforderungen ignoriert werden und teilweise nur die Symbole selbst – und noch dazu in einheitlicher und damit teilweise falscher Farbe – auf Portalen oder ähnlichem angebracht werden, zu bemängeln. Die Unterscheidungsmöglichkeit für die Fahrgäste, ob ein Symbol nun ein Gebot, ein Verbot, eine Warnung oder nur ein Hinweis ist, wird dadurch zumindest erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht.
  • Erforderliche Sicherheitshinweise, die als Symbole genormt sind, werden teilweise oder vollständig nur in Form von (deutschsprachigen) Texten angebracht. Dies ist abzulehnen, da Symbole übersichtlicher sind, schneller erfasst werden können und Deutsch nicht von allen Fahrgästen verstanden wird.
  • Die textlichen Erläuterungen zu den Symbolen werden getrennt von den Symbolen angebracht, wodurch die Übersichtlichkeit beeinträchtigt wird.
  • Es werden Hinweise angebracht, die in Normen oder behördlichen Vorschriften nirgendwo gefordert werden oder bei der konkreten Seilbahn nicht zutreffen (können), wie z. B. das Verbot Schaukeln verboten bei Kabinenbahnen. Besonders nutzlos ist das textliche Verbot Überqueren des Bahnsteiges ist verboten: Bei Einstiegen von Sesselbahnen und –liften gibt es einen solchen gar nicht und bei Kabinenbahnen ist ein Überqueren des Bahnsteiges wohl notwendig um einsteigen zu können.
  • Im Nahbereich von für die Sicherheit von Fahrgästen der Seilbahn wichtigen Schildern werden sonstige Informationen angebracht. Dazu gehören neben Werbefl ächen auch Hinweise für das Verhalten auf Pisten, auf Lawinengefahr und Ähnliches. Eingebettete Bildschirme mit Videos lenken besonders ab. Dies erschwert den Fahrgästen die Erkennung der für sie aktuell zu beachtenden sicherheitsrelevanten Hinweise und ist daher zu vermeiden.
Es wird darauf zu achten sein, dass die genannten Mängel beseitigt werden bzw. nicht mehr auftreten.

Sonstige Probleme bei der Anwendung

Da historisch gewachsen, wird leider die Benennungssystematik der ÖNORM S 4610 für die Schilder nicht fl ächendeckend angewendet; die Kataloge der Schilderproduzenten oder Seilbahnhersteller enthalten oft nur eigene Artikelnummern und bestenfalls Darstellungen der Schilder, aber keine Angaben, welchen Schildern der ÖNORM S 4610 diese entsprechen; auch in Bauentwürfen werden oft nur die Benennungen der Schilder angeführt und bestenfalls die Schilder grafi sch dargestellt. Eine konsequente, durchgängige Verwendung von einheitlichen Benennungen mit Hinweis auf die Norm, wie z. B. Schleppspur verlassen verboten ÖNORM S 4610 – V01, zusätzlich zum Symbol, würde dies klarstellen und damit auch verlangen, dass das jeweilige Schild auch hinsichtlich der sonstigen Anforderungen (wie Farben, mechanischen Anforderungen) vollständig der Norm entspricht.

Ausblick

Das Komitee 178 beabsichtigt, die ÖNORM S 4610 (und andere Normen des Komitees 178) zu aktualisieren. Dies wird vor allem die Anpassung der Anforderungen an die Farben an moderne Produktionsmethoden, die Verbesserung der Erkennbarkeit und die weitere Anpassung an die Forderungen der international gültigen Normen für Sicherheitszeichen wie ISO 3864-1 und ISO 3864-3 betreffen. Möglicherweise erfolgt auch eine Festlegung für die erforderlichen Schildergrößen im Zugangs-/Einsteigebereich, da die bisher in der ÖNORM S 4610 genannten Mindestgrößen wohl hauptsächlich für die Anbringung an Stützen gedacht sind.
Das BMVIT wird danach trachten, dass die Regelungen, wo welche Schilder erforderlich sind, übersichtlicher verfügbar werden und dass die Bezeichnungen der Schilder in seinem Wirkungsbereich konsequenter einheitlich
angewendet werden.

Dipl.-Ing. Alfred Wöß



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