seilbahn.net | Themenbereiche | Wirtschaft | 2021-03-01

grischconsulta: Härtefallentschädigung in der Schweiz

Kantonale Unterschiede in der Umsetzung

Von Edgar Grämiger, Michael Hartmann, Shirin Luchsinger

Die Auseinandersetzung mit der bislang bekannten kantonalen Umsetzung der Härtefallentschädigung zeigt, dass die Umsetzung je nach Kanton sehr unterschiedlich ist.
Die seitens der Leistungsträger im Raum stehenden Forderungen an den Bund, nach einer Senkung der Mindestvoraussetzungen und nach einer Aufhebung der Obergrenzen, scheinen ihre Berechtigung zu haben. Dies nicht zuletzt, um zu verhindern, dass in den Bergkantonen verschiedene Zusatzmassnahmen umgesetzt werden müssen, welche zu einer längerfristigen Wettbewerbsverzerrung führen könnte.

Ausgangslage

Bei einer verordneten Schliessung über längere Zeit oder einem grossem Umsatzausfall aufgrund der Pandemie, ist die Deckung der Fixkosten nicht sichergestellt. Mit den Härtefallentschädigungen bieten Bund und Kantone ein Instrument, Unternehmen zu unterstützen, welche besonders unter der aktuellen Situation zu leiden haben.
Die Härtefallentschädigung setzt sich gemäss den Vorgaben des Bundes aus zwei Massnahmen zusammen:

1) SOFORTMASSNAHME: Dies sind à fonds perdu-Beiträge, bei welchen den Unternehmen ein einmaliger Zuschuss überwiesen wird.

2) SOLIDARBÜRGSCHAFT: Der Bund und der jeweilige Kanton bürgen gemeinsam zu 100%, wenn eine Unternehmung ein Darlehen bei einer Bank in Anspruch nimmt. Der Zinssatz wird von den Kantonen festgelegt.

Die Umsetzung der Härtefallentschädigungen (Sofortmassnahme und Solidarbürgschaft) obliegt den Kantonen. Der Bund trägt rund 2/3 der Kosten der Härtefallentschädigung, wenn die kantonale Umsetzung die Mindestvoraussetzungen des Bundes erfüllt.

Grundsätzlich steht es den Kantonen frei, andere Regelungen, als vom Bund vorgesehen, umzusetzen. In diesem Fall ist die finanzielle Beteiligung des Bundes trotzdem von der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des Bundes abhängig.

Aufgrund der Vorgaben des Bundes ist ein Unternehmen entschädigungsberechtigt, wenn es im Jahr 2020 oder in den letzten 12 Monaten einen Umsatzausfall von mindestens 40% nachweisen kann oder aufgrund behördlicher Verordnung für mindestens 40 Tage geschlossen blieb. Letzteres trifft auf die Bergbahnen bisher nicht zu, weshalb das Kriterium Umsatzausfall relevant ist.

Bergbahnunternehmen werden wie alle anderen Unternehmen behandelt. Einzig der Kanton St. Gallen hat für Bergbahnen eine eigene Regelung aufgestellt. Hier kann ein Bergbahnunternehmen eine Härtefallentschädigung beantragen, auch wenn es weniger als 40% Umsatzausfall verzeichnet. Im Kanton Wallis können Unternehmen ab einem Umsatzrückgang von 30% eine Solidarbürgschaft in maximaler Höhe von CHF 500‘000 beantragen.

Betrachtet man die konkrete Umsetzung der Entschädigung in den Kantonen zeichnet sich ein heterogenes Bild ab.

Die Höhe der Sofortmassnahme (Beiträge à fonds perdu) berechnet sich am Umsatz (zwischen 15% bis 20% des Umsatzes), wobei in den Kantonen Graubünden, St. Gallen, Bern und Wallis die vom Bund definierte Obergrenze von CHF 750‘000 gilt. Im Kanton Schwyz liegt die definierte Obergrenze bei CHF 500‘000 und in Obwalden bei CHF 100‘000.

Grosse Unterschiede gibt es bei den Solidarbürgschaften. Mittels dieses Instruments sollen auch grosse Unternehmen Liquiditätsengpässe überbrücken können. Hier wird die Umsetzung in allen Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Die Bündner und die Schwyzer Bergbahnen können keine Solidarbürgschaften in Anspruch nehmen. Im Wallis ist die Regelung in Ausarbeitung und im Kanton Obwalden beträgt die Obergrenze CHF 50’000.

Die Obergrenze gemäss der Verordnung des Bundes liegt bei 25% des Umsatzes oder 10 Millionen Schweizer Franken. Keiner der betrachteten Kantone schöpft diese Möglichkeit aus. Der Beitrag des Bundes für eine Bürgschaft wird fällig, wenn die Bürgschaft gezogen wird.

Aufgrund der anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen Aussichten hat der Bundesrat am 17. Februar 2021 beschlossen, dass das Härtefallprogramm von 2.5 auf 10 Milliarden Schweizer Franken aufgestockt werden soll. Zudem erfolgt eine Unterscheidung zwischen kleinen bis mittleren Unternehmen und grossen Unternehmen. Die Härtefallentschädigung für grosse Unternehmen (> 5 Millionen CHF Umsatz) werden vollständig vom Bund finanziert. Dafür sind rund 3 Milliarden Schweizer Franken vorgesehen.

Besonders betroffene Kantone können zudem auf zusätzliche Mittel von der aufgestockten Bundesratsreserve hoffen (CHF 1 Milliarde). Für Bergkantone wie Graubünden und Wallis, welche aufgrund der touristischen Abhängigkeit grosse wirtschaftliche Einbussen hinnehmen müssen, ist dies eine gute Nachricht.

Trotzdem sind viele Bergbahnen und touristische Leistungsträger mit dieser Regelung und den Vorgaben des Bundes nicht zufrieden.

INTERPRETATION ANHAND EINES BEISPIELS

In einigen Fällen besteht das Problem darin, dass grosse Bergbahnunternehmen die Voraussetzung von mehr als 40% Umsatzausfall im Jahr 2020, respektive in den letzten 12 Monaten knapp nicht erfüllen, während die Fixkosten kaum gesunken sind. In diesem Fall können die betroffenen Unternehmen über Jahre hinweg in eine schwierige finanzielle Lage geraten, temporäre Liquiditätsengpässe und ein Investitionsstau scheinen vorprogrammiert.

Bei einer Bergbahn sind – naturgemäss – ein Grossteil der Aufwände Fixkosten, welche unabhängig vom Gästeandrang anfallen (z.B. Mieten, Personalkosten, Energieaufwand, Treibstoff, Überfahrtsrechte, Revisionsarbeiten etc.). Wie ein überschlagsmässiges und grobes Rechnungsbeispiel in Tabelle 1 zeigt, sinkt der Gesamtaufwand darum gegenüber dem Referenzjahr nicht proportional zum Umsatzausfall.

FAZIT

Die Obergrenze der Sofortmassnahme und die fehlende Möglichkeit für Solidarbürgschaften (Kanton Graubünden und Schwyz) stellt mittlere und grössere Bergbahnen vor Probleme. Die Liquidität dieser Unternehmen kann akut gefährdet werden. Im schlimmsten Fall kann es zur Zahlungsunfähigkeit kommen. Seitens der Verbände wurde auf die Fixkosten-Problematik von Bergbahnen hingewiesen. Ein Vorschlag (aus Graubünden) ist beispielsweise ein zusätzliches Mindestkriterium. So sollen auch Unternehmen von Härtefallentschädigungen profitieren können, wenn Sie mehr als 50% EBITDA-Ausfall im Verhältnis zu 2018/2019 zu verzeichnen haben.

Bis jetzt hält der Bundesrat an den Mindestvoraussetzungen für die Härtefallentschädigung fest, allerdings erscheint eine Anpassung der Obergrenze der Sofortmassnahmen wahrscheinlich. So könnten zum Beispiel mittels eines Sanierungsbeitrages (zusätzliche à fonds perdu-Zahlung, die Obergrenze ist nicht bekannt), wichtige Unternehmen gezielt gestützt werden. Wo der Weg genau hinführt, werden wir anfangs März erfahren, wenn die Konsultation mit den Parlamentskommissionen und Kantonen abgeschlossen sein soll.

Bergbahnen sind für eine funktionierende Tourismuswirtschaft in vielen Alpentälern systemrelevant. Aus diesem Grund erscheint es aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, die Bergbahnen finanziell so zu unterstützten, dass das Überleben nicht nur gesichert ist, sondern auch die Angebotsqualität durch die notwendigen Investitionen gehalten und auch weiter ausgebaut werden kann.

Eine Lösung auf Bundesebene ist anzustreben. Sollten die Kantone für «ihre Bergbahnen in die Pflicht und Verantwortung» genommen werden, so könnte durch die unterschiedlichen «Unterstützungsintensitäten» eine langfristige Wettbewerbsverzerrung entstehen.

Verwendete Quellen (Auszug):
  • Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19 Gesetz)
  • Verordnung über Härtefallmassnahmen für Unternehmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie
  • Medienmitteilung des Bundesrates vom 17.02.2021
  • Medienmitteilung des Bundesrates vom 13.01.2021 (Coronavirus: Bund baut Unterstützung über das Härtefallprogramm aus)
  • Diverses Kantonale Gesetze und Verfügungen
  • Schriftliche und telefonische Kommunikation mit Ämtern, Bergbahnen und touristischen Unternehmen




1) Annahme: Umsatzrückgang in der Gastronomie liegt bei 50%2) Annahme: Warenaufwand für Gastronomie ist proportional zum Umsatzrückgang Gastronomie
3) Annahme: um 15% tiefere Personalkosten dank Kurzarbeit
4) Annahmen:
- um 10% tiefere Kosten für Energie und Verbrauchsstoffe, sowie Reparaturen und Unterhalt dank gezielten Einsparungen
- um 10% tiefere Betriebs- und Verwaltungskosten dank gezielten Einsparungen
- um 25% tiefere Kosten für Marketing dank gezielten Einsparungen
5) Annahme: Reduktion a.o. Ertrag um 50%
In Szenario 1 sinkt der Umsatz des Unternehmens um 39%, in Szenario 2 um 41%. Der Umsatzausfall berechtigt das Unternehmen in Szenario 2 zu einer Entschädigung von CHF 750’000. Dieser Zuschuss kann den drastischen Rückgang des EBITDA nicht kompensieren.
Der Cash Flow resultiert leicht positiv, weshalb das Unternehmen im Geschäftsjahr 2020/21 die Abschreibungen nicht verdienen kann und einen grossen Verlust erzielt. Das Unternehmen müsste, um dieses Resultat aus dem Pandemiejahr 2020/21 aus eigener Kraft zu korrigieren, rund 22 Jahre lang ein positives Resultat wie im Referenzjahr aufweisen.



Zurück
Fotos hinzufügen
Drucken
Email


Google Adsense