seilbahn.net | Themenbereiche | Wirtschaft | 2019-09-12

Zum touristischen Potenzial des E-Mountainbikes

von Peter Haimayer 
 
An Schönwettertagen sind die Parkplätze bei den Startpunkten in die langgestreckten Karwendeltäler übervoll mit Autos, von denen die meisten mit Mountainbikes bestückt sind. Auf den Wegen zu den Schutzhütten und den unmittelbaren Ausgangspunkten der Bergtouren dominieren die Mountainbiker, wobei der Anteil der Benützer von E-Mountainbikes bereits beträchtlich ist.
 
Rasante Marktentwicklung
 
Der E-Mountainbike-Markt wächst unaufhörlich, sehr schnell seit 2016 und mit noch größerem Tempo seit 2018. Im vergangenen Jahr war in Österreich und in der Schweiz jedes dritte, in Deutschland jedes zweite verkaufte Mountainbike ein E-Mountainbike. Letztere werden also eine immer größere Teilmenge am gesamten Mountainbike-Markt. Am Berg dürfte der Anteil der E-Mountainbikes bald höher sein als jener der klassischen Geräte. Gefördert wird die Entwicklung auch durch permanente Verbesserungen in der Technik und beim Handling der E-Mountainbikes.
 
Popularisierung durch Events
 
Zur Popularisierung der E-Mountainbikes tragen einschlägige Events bei, wie die inoffiziellen E-Mountainbike Weltmeisterschaften in Südtirol, die „E-Bike WM für Jedermann“ in Sillian in Osttirol oder die Salzkammergut Trophy mit eigenen Wettbewerben für E-Mountainbikes.
 
Breite Zielgruppe
 
Zielgruppenspezifisches Gerät (z.B. für Kinder), mehr Komfort sowie Bewerbung machen das E-Mountainbike für breitere Bevölkerungsschichten interessant und bewirken eine Demokratisierung dieser Sportart. Die E-Mountainbiker werden immer jünger, ihr Durchschnittsalter nähert sich jenem der klassischen Mountainbiker an. Der Anteil der Familien, Frauen und Kindern ist überdurchschnittlich hoch. Zudem öffnet das E-Mountainbike Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, wie z.B. bei Arthrose, das Tor zu moderater sportlicher Betätigung in der Natur.
 
Die Bedürfnisse der E-Mountainbiker
 
Nach Darco Cazin von Allegra Tourismus, der die E-Mountainbike-Studientage im Südtiroler Vinschgau mitorganisiert, stehen bei den E-Mountainbikern folgende Bedürfnisse im Vordergrund:
 
Naturerlebnis: Natur soll einfach, komfortabel und in kurzer Zeit zugänglich sein.
Genuss: Das bedeutet Spaß am Sport und natürlich auch Kulinarik.
 
Gemeinschaft: Gemeinsame Unternehmungen (Alte und Junge, Trainierte und Untrainierte, Familien mit Kind und Kegel) sowie soziale Kontakte an Treffpunkten, wo Ausübende unterschiedlicher Freizeitaktivitäten zusammenkommen.
 
Zeitoptimierung: Effiziente Nutzung der kostbaren Ressource Zeit, um in der verfügbaren Zeitspanne mehr von dem zu erleben, was man sucht.
 
Effekte vor Ort
 
Quantitativen Entwicklung, Struktur der Zielgruppen und Bedürfnisse der E-Mountainbiker lassen das Potenzial erkennen, welches die E-Mountainbike-Bewegung für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft bietet. Dazu einige Anmerkungen, die primär auf eigenen Beobachtungen beruhen:
 
Umfang der Nachfrage: In Bergdestinationen trägt das E-Mountainbike zur Nachfragesteigerung bei, zum einen, weil es vielen Gästen erst die Möglichkeit bietet, sich im bergigen Gelände mit dem Rad zu bewegen und zum anderen, weil damit weitere Strecken und größere Steigungen bewältigt werden können. Menschen erreichen Ziele, zu denen sie mit dem klassischen Mountainbike, geschweige denn zu Fuß, nicht hingelangen würden.
 
Reichweiten: Die größeren Reichweiten kommen z.B. Ausflugszielen und Gastronomiebetrieben an entlegeneren Plätzen zugute.
 
Bike & Hike: Auch für die in alpinen Destinationen beliebte Kombination von Mountainbike-Benützung und Bergwandern bzw. Bergsteigen öffnen sich neue Dimensionen. Zum einen weil weiter entfernte Ausgangspunkte für Bergtouren in kürzerer Zeit erreicht werden können und zum anderen, weil der Grad der Ermüdung bei der Ankunft am eigentlichen Ausgangspunkt zur Gipfelbesteigung geringer ist.
 
Wertschöpfung vor Ort: E-Mountainbiker sind in der Regel finanziell überdurchschnittlich gut situiert. Sie sind daher – nicht zuletzt auch aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse (u.a. Genuss, Gemeinschaft) – gute Konsumenten.
 
Spannende Perspektiven
 
Experten gehen davon aus, dass angesichts des Trends zur E-Mobilität und zum Fahrrad im urbanen Raum das E-Mountainbike einen attraktiven Zukunftsmarkt für den Tourismus darstellt. Ihrer Ansicht nach ist dieser Markt noch lange nicht gesättigt, weder angebots- noch nachfrageseitig. Darco Cazin demonstrierte dies im Jahr 2018 am Beispiel des Mountainbikes generell. Nach seiner Kenntnis: befassen sich von den 1.400 Skigebiete im Alpenraum 150 mit dem Thema Mountainbike, aber nur 35 setzen sich seriös mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinander und erarbeiten durchgängig stimmige und professionelle Angebote (z.B. Bike Republic Sölden).
 
Da das E-Mountainbike für breite Gästeschichten geeignet ist, wird ihm ein viel größeres Potenzial vorausgesagt als dem herkömmlichen Mountainbike. Möglicherweise ist es sogar eine der größten Chancen, welche die Alpen in den letzten Jahrzehnten im Sommertourismus hatten. Zudem ist auch in diesem Fall die Industrie ein wertvoller Partner für den Tourismus, gilt im Kreise der Produzenten das E-Mountainbike doch als große Zukunftshoffnung.
 
Dr. Peter Haimayer ist Gründer und Geschäftsführer der Haimayer Projektbegleitung, Unternehmensberatung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft mit Sitz in Innsbruck.



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